Donnerstag, 17. November 2016

#FrauenfeindlicherSexist

#FrauenfeindlicherSexist

Bin unterwegs. Außerhalb. Lese etwa 100 Leuten etwas vor. Open Stage-wer will, der darf und macht, was er will- zehn Minuten lang. Einige singen. Spielen Gitarre. Ich lese.
Text handelt von Gutscheinen, deren Vor- und Nachteilen. Überspitzt. Satirisch. Albern.
Funktioniert! Leute lachen. Bin zufrieden. Lächle.
Text wird im letzten Drittel zunehmend ordinär. Will Reaktionen provozieren. Schwadroniere über einen "Blowjob-Gutschein". Nehme im nächsten Satz die Männer auf´s Korn.
Spitze den Text weiter zu. Fertig!
Ich höre Applaus. Höre Lachen. Irgendwer ruft "Buuuuh!". Kann es nicht lokalisieren.
Verlasse die Bühne. Genieße den Endorphinkick. Hole mir eine Cola und setze mich.
Frau spricht mich an. Will nachher in Ruhe mit mir Reden. Erkenne die Frau. Ist vor mir aufgetreten. Singer- / Songwriter. Authentisch, wütend, regelrecht zornige Texte. Gitarre war verstimmt.
Tut mir leid für sie.

Später

Auf der Bühne ist Pause. Stehe rauchend draußen. Frau kommt auf mich zu. Könnte 18 aber auch 28 sein. Kann ich nicht einschätzen. Löchrige schwarze Leggings unter kurzem Jeansrock. Armeestiefel. Schal, kariertes Flanellhemd. Nach rechts gescheitelter Pony, fixiert mit Haarspray, ebenso unverrückbar wie ihre Meinung.
"Dann schieß mal los", sage ich.
Sie fühle sich durch meinen Text angegriffen und persönlich herabgewürdigt.
Ich frage warum.
Sie sei Feministin.
"Ist ja nicht schlimm", sage ich.
Sie fühle sich persönlich verletzt.
Wundere mich.
Als ich über den Blowjob-Gutschein sprach, hätte ich damit das Bild vermittelt das Frauen nur für die Erbringung sexueller Dienstleistungen gut seien, und sonst für nix. Bin erstaunt.
"Provokation ist eine mächtige Waffe!", sage ich.
Sie holt weit aus. Sie sei Sozialpädagogin, lesbisch, habe kürzlich traumatische Erlebnisse mit Männern gehabt. Das tut mir aufrichtig leid. Frage mich trotzdem, was das mit mir zu tun hat.
Bombardiert mich mit Fachbegriffen aus Psychologie und Soziologie. Komme nicht zu Wort. Ich lächle. Ich höre zu. Ich nicke. Ich schaue ihr in die Augen.
Verstehe leider nur die Hälfte von dem was sie versucht mir zu vermitteln. Fühle mich herabgesetzt.
"Schon geil so eine Hochschulausbildung und ´n Studium! Da kommt mein Arbeiterklassengehirn leider nicht mit!", sage ich.
Sie sei vielseitig politisch engagiert, sagt sie. Bin der Überzeugung das das stimmt. Fängt an Vereine, Verbände und Initiativen aufzuzählen. Die Begriffe sagen mir nichts. Lasse es sie wissen.
"Vielleicht liegt es daran das ich ein Stadtkind bin", sagt sie.
"Und ich bin ein Dorfnerd!", sage ich.
Kurze Pause. Darf wohl sprechen.
Erkläre, das ich in meinem Job als Altenpfleger auf einer Demenzstation in den letzten 20 Jahren ein hohes Maß an Empathie entwickelt habe, der Frauenanteil in meinem Job 90% beträgt und es nicht meine Absicht war, die Frauen im Allgemeinen oder Sie im speziellen anzugreifen oder herabzuwürdigen.
Entschuldige mich. Meine es aufrichtig.
Erkläre, es gehe mir nur um das Erzeugen einer Reaktion, und unser Gespräch beweise meinen Erfolg.
"Jeder, der eine Bühne betritt, will doch eine Reaktion.", sage ich.
Nein, das wolle sie nicht, für sie sei das Singen ihrer Songs vor Publikum Therapie. Ich schweige. Ich nicke. Denke trotzdem ,das sie die Zeit auf der Bühne genießt und sie das "Rampensau"-Gen in sich trägt. Verstehe nicht, warum sie nicht dazu stehen kann.
Gespräch läuft aus, wie ein Reifen der Luft verliert. Sprechen den Rest des Abends nicht mehr miteinander.
Hält mich vermutlich für blöde, ungebildet und ignorant.
Mir egal.
Sollte mir egal sein.

Zwei Tage später

Ist mir NICHT egal, verdammt nochmal!
Sitze in einem Cafe. Denke nach. Schreibe diesen Text in meinen karierten College-Block. Lasse den stakkatoartigen Erzählstil fallen.

Mir wurde in meinem Leben schon viel angedichtet und an den Kopp geschmissen. Frauenverachtender Sexist ist neu!
Einige der wichtigsten Menschen in meinem Leben sind und waren Frauen:
Meine liebevolle Großmutter, bei welcher ich viele schöne Jahre meiner Kindheit verbracht habe.
Meine Mutter, ein starker und standhafter Mensch, der seine Kinder über lange Jahre alleine durchbringen musste.
Meine Grundschullehrerin, die mich immer bestärkt und ermutigt hat, und wenn ich noch so nervtötend war.
Meine große Schwester die mich lehrte: ja, es ist okay sich zu wehren, auch gegen Mädchen/Frauen.
Meine Ehefrau, die mich liebt OBWOHL sie alle meine Schrullen und Fehler kennt, mit der ich seit über 20 Jahren durch gute Zeiten und tiefe Täler wandere.
Meine Tochter, die mir mit ihrer nervösen Energie manchmal die letzte Geduld raubt, welche ich aber trotzdem abgöttisch liebe.
Ich bin mir bewußt das Frauen jahrhundertelang unterdrückt wurden, von der Kirche, angestaubten gesellschaftlichen Ansichten, engstirnigen Geschlechterklischees. Liebe Frauen- ich nehme Anteil und finde es furchtbar das ihr all dies durchleben musstet. Trotzdem muss ich euch fragen:

Was hat das mit mir zu tun?

Klar, ich bin ein Mann, aber daraus zu schließen ich sei ein tyrannisches und frauenverachtendes Arschloch ist ebenso absurd wie die Behauptung, alle Flüchtlinge seien Terroristen oder alle Deutschen automatisch Nazis. Ich bin für Gleichberechtigung- gleiche Löhne, gleiche Chancen, gleiches Recht für alle. Das heißt für mich: wir treffen uns auf Augenhöhe, keiner steht über dem Anderen.
Kein Oben.
Kein Unten.
Nur ein Gegenüber.
Gegenseitige Achtung und Respekt und die Gelassenheit, einfach mal zu lachen wenn man auf die Schippe genommen wird. Eben nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen.
Emazipation heißt nicht für mich:
"Oh Frau, du gottähnliches Wesen, laß mich dich auf einen Altar heben und den Boden auf dem du schreitest anbeten. Ich werde alles verleugnen was ich bin, meine Gedanken, meine Biologie, meine Gefühle, meine Hormone, meine Meinung. Ich werde mich auf ewig schmutzig, minderwertig und klein fühlen weil ich als Mann geboren wurde und du mir gezeigt hast, wie abgrundtief verwerflich das ist. Im Hier und Heute will ich auf ewig Buße tun für all die tausend Jahre Unterdrückung, die du und deinesgleichen erdulden mussten. Verzeih mir, das ich existiere!"

Nein! Ich will euch auf Augenhöhe begegnen, keine Umkehrung der Vergangenheit, keiner steht über dem Anderen.
Es bekümmert mich, macht mich traurig und zornig, das so viele Frauen Opfer von Gewalt und Mißbrauch durch Männerhand werden. Das ekelt mich an! Ich fühle mit euch. Doch in erster Linie sind die Täter nicht "typisch Mann", sondern Arschlöcher mit Y-Chromosom, und Arschlöcher gibt es leider überall, seien es Männer, Frauen, Jugendliche oder sonstwas.
Bitte verliert nicht die Hoffung in alle anderen Männer da draussen wenn ein männliches Arschloch euch auf abscheuliche Weise behandelt hat. Stempelt mich nicht als frauenverachtenden Sexisten ab weil in einem absurden Text eine Situation überspitzt dargestellt habe.
Stempelt mich nicht ab, nur weil ich ein Mann bin.

Denn ihr wisst ja- jemanden aufgrund seines Geschlechtes zu diskriminieren, das ist Sexismus!

















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